Hans Kienesberger

1948 - 2019

Katalog „Hans Kienesberger · Traunseepartien · 1973–1983“

Hans Kienesbergers „Traunseepartien“

Im Jahr 1980 konzipiert Hans Kienesberger für Traunkirchen einen weit, weit in den Traunsee hineinragenden Badesteg: ein aufblasbares, riesiges Objekt, ein Projekt für einen „floating pier“ – in der Idee durchaus vergleichbar mit dem von Christo im Jahr 2016 an einem See in Italien realisierten. Das Konzept von Kienesberger manifestierte sich zwar „nur“ in einem quadratischen Ölbild – allerdings mussten dafür auch nicht von einer oberitalienischen Firma in 8-monatiger Arbeit 200.000 Schwimmkörper aus Kunststoff eigens hergestellt werden (die dann wieder „entsorgt“ werden müssen). 

Hans Kienesberger verwandelt in seinem umfangreichen Schaffen –  insbesondere im zwischen 1973 und 1983 entstandenen Werkblock – den Traunseeraum in eine Bühne für Inszenierungen, die neue Sichtweisen von Raum und Zeit ermöglicht: Es treten auf Steinzeitmenschen, SA-Männer, Papuas, Politiker, Heilige und Säulenheilige, Fußballer, Märchenfiguren, Karl Marx im Diskurs mit einem Wilderer, ein indischer Guru als Elefant in Mitterndorf, Artisten aus Berlin – gearbeitet auf Originalfundmaterial aus dem Jahr 1937, aus dem damaligen mondänen Hotel am Stein, wo die Artisten aufgetreten waren. Weiters kommen vor Traunseefischer, amerikanische Soldaten auf dem Sonnstein, RAF-Gefangene, verschiedenste Architekturvisionen, um den Fremdenverkehr zu beflügeln, die Serie „ Steig in das Schlauchboot der Liebe“ (Caterina Valente – Steig in das Traumboot der Liebe), Monumente/Denkmäler: Mohnflesserl-Denkmal – eine Hommage an die Bäckerei Kienesberger, ein Tortendenkmal, eine Großskulpturen-Riesenuhr im Traunsee, zeitgemäße Entwürfe für Glöcklerkappen (der einzige diesbezügliche Versuch in Ebensee musste scheitern!). Kampfjets und Marschflugkörper in Sternenform donnern über Traunkirchen und auf der Bräuwiese wird ein Porno gedreht – das titelgebende Bild fasst die Themen kompakt zusammen: „Partie am Traunsee“.

Diese ironisch-kritische Sicht der 1970-er und 1980-er Jahre ist sowohl eine künstlerische als auch eine politische Antwort auf eine muffig-konservative und repressive Zeit.  Diese Jahre waren allerdings auch gekennzeichnet durch politische Gegenbewegungen, in denen Kienesberger sozialisiert wurde: Die 1968-er Zeit, Kampf gegen den amerikanischen Imperialismus (Kuba, Vietnam, Chile usf.) – all das hat nicht nur seine Sicht auf die Welt bestimmt, sondern war auch prägend in der Kunst.

Der von Hans Kienesberger, Walter Pilar und dem Autor gegründete TRAUNSEHER (1978–81) – eine Bild-Textedition, die versuchte, Kunst unabhängig von Galerien und dem Kunstmarkt zu produzieren und zu vertreiben, war so ein Produkt, in diesem Umfeld – davor und danach (1963–’83) sind die Arbeiten der Ausstellung entstanden, zu der diese Publikation erscheint.

Es ist also auch eine im weitesten Sinn politische Kunst bzw. Kunstpraxis. Unzufriedenheit, Wut, Ironie, Selbstironie waren Begleitfaktoren der künstlerischen Arbeit. Der Großteil der gezeigten Arbeiten wurde bisher noch nie ausgestellt, weniges wurde als Begleitmaterial im Umfeld von TRAUNSEHER-Aktionen publiziert bzw. wurde im TRAUNSEHER veröffentlicht.

Der überwiegende Teil der Werke ist entstanden parallel zu seiner Arbeit als Lehrer, zu seinem Leben als Familienvater, Traunseherproduzent und als Politaktivist (Aktivist zur Abschaffung des Bundesheeres, Zivildienstberater usf.) Manches davon ist Hans Kienesberger auf den Kopf gefallen – so wurde er nicht in den OÖ. Kunstverein aufgenommen, weil ihn sein ehemaliger Kunstprofessor als Kommunist denunziert hatte, Traunseher-Aktivitäten wurden als „kommunistisch“ bewertet und hatten zur Folge, dass beim Land OÖ und beim BMfUK einige Zeit nichts angekauft wurde.

Zum Titel „Traunseepartien“: „Partien“ wurden im 19. Jahrhundert gerne Landschaftssujets genannt, dann wurde der Begriff verwendet für Reisen im vergnüglichen Umfeld, schließlich gab’s ab November in den Gasthäusern die „Bratl- und Blunznpartien“, an denen seine Familie aus Geschäftsräson immer teilnehmen musste, machmal drei Mal am gleichen Tag in verschiedenen Gasthäusern.

Das Titelbild ist eine prägnante Architekturvision (diese kommen häufig vor):  Ein Badesteg (Schwellkörper) in Winkl, ohne es zu ahnen á la Christo, in der Maltechnik á la Heiß-Dionysen, einem „spätimpressionistischen“ regionalen Maler (Lehrer in Traunkirchen), bei dem die Mutter viel gekauft hatte und der sein erstes Vorbild wurde – in seinem Stil malte er ab 15 Jahren unzählige „Traunseepartien“ vor der Natur, die er dann beim Eintritt in seine „Schüttbild-“ und „informelle Phase“ klarerweise zerstören „musste“. Die Zeichnung „Traunseefischer“, 1963  (sein Onkel Franz) ist eines der wenigen erhaltenen Beispiele aus dieser Zeit. Dieses Arbeiten „á la . . .“ kommt öfter vor – „á la Künstlergilde Salzkammergut“ etc., weitere Namen sollten aus Gründen des Personenschutzes nicht genannt werden. Das heißt, Kienesberger ist in die Künstlerrolle anderer regionaler Künstler geschlüpft und hat in deren Stil gearbeitet.

Aus mehr als 30-jähriger zeitlicher Distanz betrachtet: Hans Kienesberger hat nicht nur einen sehr spezifischen künstlerischen Werkblock geschaffen, wir kommen auch in den Vorzug, eine sozio-kulturelle „Zeitkapsel“ öffnen und betrachten zu dürfen – und davon ausgehend auch die Gegenwart dazu in Bezug setzen zu können.

Peter Putz

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